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Halefeuer 2008

Die Ernte und der böse Kasper

Hale-Feuer ist ein wichtiger Versammlungsort für die Dorfgemeinschaft 
 
WOLLMERSCHIED Mit dem Hale-Feuer, das in Wollmerschied entzün det wurde, sollen die bösen Geister des Winters vertrieben werden. Auf den Wisperhöhen loderte auch ein Feuer in Espenschied.  
 
Ein Regenschirm schützt den Kasper vor dem Suddelwetter, das in Wollmerschied herrscht. Eigentlich hat der Kasper solche Fürsorge nicht verdient, denn er verkörpert das Böse beim traditionellen Hale-Feuer. Acht Meter misst der Scheiterhaufen der Puppe von der Erde bis zur Schirmspitze und darüber ragt noch eine Fichtenkrone auf. Viel Arbeit hat sich die Feuerwehr gemacht für ein Spektakel von vielleicht zwei Stunden Dauer. Ein Balkengerüst, Kartons, Stroh und vor allem ausgediente Weihnachtsbäume haben die Brandschützer zusammen getragen.
 
"Da gehen immer zwei bis drei volle Samstage für drauf", erklärt Reinhard Schuld von der Wehr. Früher hat die Dorfjugend in ihrem letzten Schuljahr die Rolle der "Hale-Bube" übernommen und das Feuer vorbereitet. Heute wechseln sich Feuerwehr, Thekenmannschaft und Reitverein Jahr für Jahr bei dieser Aufgabe ab. Den Festort haben die Wollmerschieder irgendwann zum Sportplatz verlegt und Stroh wird auch nicht mehr bei einem Rundgang von den Bauern erbeten - es gibt mittlerweile nur noch einen Landwirt im Dorf.
 
Die alten Überlieferungen besitzen dennoch einen hohen Stellenwert beim Hale-Feuer. Von Tradition und dem seit Menschengedenken gepflegten Brauchtum ist ständig die Rede, während die Menschen im Nieselregen auf das "Anstecken" des stattlichen Holzhaufens warten. Woher das Ritual stammt, weiß aber offenbar keiner mehr. Das kleine "Spenglerfeuer", wie es auch genannt wird, flackert bereits. Das nutzten die "Hale-Bube" einst zum Aufwärmen und außerdem haben sie gerne die erste Zigarette ihres Lebens an ihm entzündet, erzählt Ottmar Missler. Am "Spenglerfeuer" werden nach alter Sitte aber auch Korken rußig gemacht, mit denen dann die Umstehenden das Gesicht geschwärzt bekommen. Ostwärts ist zu sehen, dass das Espenschieder Hale-Feuer schon brennt, als kurz nach 19.30 Uhr bei kompletter Dunkelheit in Wollmerschied die Flammen auflodern. Es heißt, kundige Leute könnten am Rauch und am Fall des Kaspers die Güte der kommenden Ernte erkennen. Der Qualm der grünen Tannenzweige ist jedenfalls infernalisch und das kleine Versorgungszelt steht bald in einem wahren Funkensturm. Das linke Bein Kaspers fängt zuerst Feuer und der Schirm bleibt lange unversehrt, obwohl die Puppe bereits nach einer Viertelstunde abgestürzt ist. Viel Regen in diesem Jahr?
 
So denkt sich jeder seinen Teil und die Menge singt dabei das Kirchenlied "Großer Gott wir loben dich". Schließlich sollen dank des Feuers Sturm und Hagel die Bauern verschonen. So verbindet sich Religiosität mit Frohsinn. Der Fastnachtsdienstag ist der unumstößliche Termin um "uff de Hal" zu gehen und mancher trägt noch ein Kostüm. Erstmals hat der Kasper sogar ein Schild um den Hals hängen. "Bauer sucht Frau", ist zu lesen. Doch als die Flammen weiter an dem Männchen fressen wird klar, dass es mit der Brautschau nichts mehr wird.

Wiesbadener Kurier vom 07.02.2008
Thorsten Stötzer